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CODEX HUMANUM

Charta der menschlichen Werte

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Die folgenden 10 Gedankengruppen wurden von Rudolf Kuhr (Humanistische Aktion) und Wolfgang Fischer (Initiative Emanzipation Humanum) aus einer Zusammenstellung von 100 Vorschlägen zu menschlichen Grundwerten ausgesucht. Frank Geerk, Schriftsteller in Basel, hatte den Entwurf einer 100-Punkte-Erklärung der menschlichen Werte formuliert, der an Vertreter weltanschaulicher und religiöser Traditionen international verschickt wurde. Ziel des in Pforzheim entstandenen Projekts "humanismus" war es, die Grundlagen des Menschseins in Erinnerung zu rufen und Leitgedanken für das 21. Jahrhundert zu erarbeiten. Darauf aufbauend entstand die "International Society for Human Values", geleitet von Rainer Bartels und organisiert von Dr. Barbara Burkhardt-Reich. Das Projekt wurde u. a. von der UNESCO gefördert. mehr dazu....

Zur Diskussion:

I - Existenz

Die soziale Dimension des Menschen, die sich ihm im Laufe eines Lebens erst voll erschließt, umfasst den Kosmos und die gesamte Natur. Aus ihren Elementen sind wir gemacht, sie erhalten uns am Leben. Missbrauchen wir die Natur, entziehen wir damit uns selbst und unseren Nachkommen die Lebensgrundlagen. Sie zu erhalten ist die Basis aller Zukunftsgestaltung.

II - Lebensgrundlage

Die Werte, die für ein gemeinsames Überleben verbindlich sein sollen, beziehen wir nicht aus einer bestimmten Ideologie, Religion oder Wissenschaft, sondern aus der Natur des Menschen und der Natur selbst. Sie sollen niemandem von außen aufgezwungen werden. Sie finden nur dann die notwendige Akzeptanz, wenn jeder Mensch sich darin selbst erkennen kann - unabhängig von seiner kulturellen Prägung.

III - Menschliches Potenzial

Alle Gesetzgebungen, Menschenrechtsdeklarationen und anderen ethischen Vorgaben werden bloße Symptombekämpfung bleiben, solange wir nicht die entsprechenden menschlichen Möglichkeiten erschließen, auf die wir zurückgreifen können, um unsere guten Vorsätze umzusetzen. Diese universalen, menschlichen und förderlichen Möglichkeiten zu definieren, zu aktivieren, zu entwickeln und ins allgemeine Bewusstsein zu heben, ist unerlässlich für eine humane Zukunftsgestaltung. Das Überwinden der mentalen Spaltungen führt zu einem ganzheitlichen Sehen, Erleben und Handeln.

IV - Wahrhaftigkeit

Lebensförderliche Werte lassen sich dauerhaft nur umsetzen, wenn sie durch eine entsprechende Gesetzgebung geschützt werden. Noch wichtiger aber ist die Förderung eines sozialen Bewusstseins im täglichen Umgang zwischen den Menschen. Wo diese natürliche Basis der Humanität verloren geht, braucht es immer kompliziertere verwaltungstechnische und soziale Regelwerke, Strafgesetze und Ordnungskräfte. Nicht mehr der gemeinschaftliche Sinn für soziale Gerechtigkeit, sondern Fachleute haben das Sagen, da nur noch sie den Durchblick im Paragraphendschungel haben. Nicht mehr die Gerechtigkeit siegt, sondern der bessere Anwalt. Schließlich regiert nicht mehr der Mensch, sondern das Gesetz, wie es von den Mächtigen ausgelegt wird. Je selbstverständlicher uns aber die Werte der sozialen Dimension im täglichen Umgang miteinander werden, desto weniger Gesetze werden wir brauchen, den sozialen Frieden zu wahren. Voraussetzung hierfür ist ein konsistentes soziales Umfeld als Basis der Moralentwicklung von Kindern und Heranwachsenden.

V - Frieden

Erziehung zum Frieden als oberster Leitsatz aller Pädagogik. Ihre Voraussetzung ist ein Umfeld, das der Liebe zum Leben förderlich ist. Vermittlung von faktischem Wissen und Anleitung zur Selbstwahrnehmung und -erkenntnis sind gleichwertige Disziplinen. Nur wer sich selbst kennt, kann über sich selbst verfügen und in den anderen einfühlen. Nur wer das Leben liebt, wird sich seiner Zerstörung verweigern.

VI - Religion als Quelle von Spaltung

Religion als Geißel der Menschheit. Die spirituellen, ganzheitlichen Erfahrungen der Menschheit haben sich in den «heiligen Büchern» niedergeschlagen. Die Begeisterung darüber, in diesen Schriften die absolute Wahrheit zu spüren, war so groß, dass die darin formulierten Lehren zum Maßstab aller Dinge wurden, ein durchaus legitimer Vorgang für die jeweilige Glaubensgemeinschaft. Im Verein mit konkreten politischen Machtinteressen wurden indessen aus Glaubensbekenntnissen immer wieder Instrumente zur Verachtung anderer Ansichten, anderer Kulturen und anderer Rassen gemacht. Im Lauf der Geschichte haben religiöse Fanatiker die schlimmsten Verbrechen wider die Menschlichkeit im Namen Gottes begangen. So wurde Religion zu einer Geißel der Menschheit. Ebenso wie ein als ungerecht einzuschätzendes Wirtschaftssystem früher oder später unweigerlich zu Krieg, blutigen Revolutionen und Hungersnöten führt, wird auch der gottlose Kampf diverser religiöser Strömungen in neue Dimensionen der Gewalt führen, es sei denn, wir besinnen uns auf die humane Vision, wie sie allen bedeutenden Religionsstiftern ursprünglich vorschwebte.

VII - Religion als Rück-Bindung

Religion als humane Vision, als Heilsversprechen von Harmonie und Frieden. Fragen wir uns, worin das gemeinsame Interesse besteht, das in allen «heiligen Büchern» zum Ausdruck kommt, lautet die Antwort: die Erziehung der Menschen zur Humanität. Wenn die Vertreter der Religionen ihre vornehmlichste Aufgabe darin sehen, die Menschen an spirituelle, ganzheitliche Erfahrungen heranzuführen und ihnen damit zu mehr seelischer Ausgeglichenheit, Glück und Selbstbewusstsein verhelfen, wird es keinen Grund mehr geben, miteinander zu hadern. Im Gegenteil. Indem sich die Religionen auf ihren gemeinsamen spirituellen, an das Ganze rückbindenden Auftrag besinnen und sich nicht an dessen Ausführung gegenseitig behindern, werden sie sich in ihrer wahren Vielfalt präsentieren und entwickeln können. Nicht im Krieg um die «einzig wahre Lehre», sondern im Wettstreit um die «guten Taten» erweisen wir uns dieser Lehren würdig.

VIII - Ganzheitlichkeit

Fragen wir uns, was den Menschen zum Menschen macht, das heißt, aus welchen Quellen er seinen stets gefährdeten, aber immer wieder beharrlich formulierten Anspruch auf Humanität denn eigentlich schöpft, sind seine spirituellen, ganzheitlichen Erfahrungen von entscheidender Bedeutung. Unter spirituellen, ganzheitlichen Erfahrungen verstehen wir geistige, emotionale, mit rationalen Mitteln allein nicht erklärbare Qualitäten des Lebens, Momente der Entrückung, die uns erkennen lassen, dass es über unsere täglichen Kämpfe und Interessen hinaus etwas gibt, das zu gegebener Zeit alles andere als unwesentlich erscheinen lässt. Solche Erfahrung kann uns eine unverhofft erwiesene Freundlichkeit, ein Blick in die Natur oder eine durch rituelle Übungen herbeigeführtes ganzheitliches Erleben gleichermaßen vermitteln. Alle spirituelle, ganzheitliche Erfahrung läuft letztlich darauf hinaus, dass wir die innere Gewissheit erlangen, nicht nur vergänglicher Körper zu sein, sondern Teil eines übergeordneten faktischen Zusammenhangs, der Verbundenheit allen Seins. Dabei geht es nicht um esoterische Spekulationen, es geht um ganz konkrete psychische und physische Realitäten, die unser Leben tief greifend mitbestimmen.

IX - Ethische Orientierung

Das Verdrängen lebensförderlicher menschlicher Werte, wie wir sie besonders in Industrienationen beobachten, lässt die Menschen in Grenzsituationen immer hilfloser werden und macht sie leicht zu Opfern von betäubenden Drogen. Sekten und Ideologien erstarkten als zweifelhafte Profiteure einer entspiritualisierten, entmenschlichten, materialistischen Gesellschaft. Sich auf innere Werte zu besinnen erscheint unverzichtbar für die Entwicklung eines lebensförderlichen Bewusstseins und Verhaltens.

X - Krieg und Frieden

Heraklit hat den Krieg als Vater aller Dinge bezeichnet. Als folgten wir noch immer dieser Auffassung, investieren wir einen großen Teil unserer kreativen Energie in die Rüstungsindustrie. Dabei erschien schon immer jede kriegerische, von Menschenhand herbeigeführte Zerstörung als schreiendes Unrecht, da sie unnötiges und meistens einseitiges Leid über Mensch und Natur bringt. Aufrüstung und Krieg müssen sich also immer wieder neu legitimieren. Sie brauchen die Bedrohung durch einen Feind. Gibt es ihn nicht, so entwickeln wir erstaunlich viel Phantasie, ihn zu erfinden. Verzichten wir auf solche Feindbilder und einigen uns statt dessen auf das gemeinsame Überleben in Harmonie und Frieden als obersten Leitsatz, wird aus Bedrohung Hoffnung. Je konsequenter wir diesen Prozess vorantreiben, desto überfälliger wird das auf dieser Erde angehäufte Potenzial der Zerstörung. Eine Fülle schöpferischer Energien, die durch die Erfindung von Feindbildern und Aufrüstung gebunden sind, werden frei für eine friedliche Zukunftsgestaltung.

siehe auch: http://www.menschundwerte.de/

EMANZIPATION HUMANUM


Mensch werden: mensch-sein.de, Version 7.4. 04 - Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt, Dialog erwünscht, Übersetzung in andere Sprachen erwünscht, Kontakt: impressum


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