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Von der Kriegssteuer zur Zivilsteuer

von Sepp Rottmayr und Gudrun Schneeweiß

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1. Wie entstanden Steuern?

Nomadische Siedler lassen sich in einer fruchtbaren Gegend nieder. Sie nehmen Land und werden Ackerbauern. Allmählich werden sie immer mehr. Für ihre Felder und Äcker ziehen sie Grenzen. Sie ernennen einen Führer, dem sie vertrauen. Er soll ihre Grenzstreitigkeiten entscheiden, die umherziehenden Hirten an der Überweidung der Felder hindern und Diebe und Räuber abwehren. Er sagt zu den Siedlern: „Ich habe selbst keine Zeit mehr zur Feldarbeit, wenn ich mich um euere Streitigkeiten und Angelegenheiten kümmern soll. Außerdem brauche ich bewaffnete Männer, die im Kriegshandwerk ausgebildet sind und die ich unterhalten muss. Also müsst ihr mir von euren Früchten, von eurem Fleisch und von euren sonstigen Erzeugnissen abgeben." Die Siedler sahen dies ein und waren mit den Abgaben einverstanden. Als das Geld erfunden war, bestanden die Abgaben aus Münzen: die Steuern waren entstanden.

2. Neues Staatsverständnis - neues Steuerverständnis

Aus dem Führer wurde eine Dynastie und es gelang den Herrschenden, ihre Macht nicht mehr von der Delegation der Aufgaben durch die Siedler abzuleiten, sondern, von den Göttern - und im christlichen Europa von Gottes Gnaden. Der Staat wurde absolut.

Parallel dazu verselbständigte sich das Verständnis der Steuer. Aus der Gabe durch die sesshaft gewordenen Siedler, um die Führung und die Gemeinschaftsaufgaben zu finanzieren, also aus dem Entgelt für eine Leistung, wurde der Anspruch des Staates: Steuern seien, sobald sie durch Eigentum oder Einnahmen entstehen, a priori Eigentum und Besitz der Staatsgewalt. Sie seien nicht mehr mit der Führung auszuhandeln und für deren Leistung zu entrichten, sondern obrigkeitlich, unabhängig von einer Gegenleistung, festzusetzen.

So definiert noch heute die Abgabenordnung, die als Steuergrundgesetz gilt, im § 3 die Steuer wie folgt: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; u.s.w."

In etwas deutlicherer Pointierung heißt dies, Steuern sind Abgaben, welche die Machthabenden zu keiner Gegenleistung verpflichten, für deren Verwendung sie nicht haften, die aber durch sie festgesetzt werden.

Wenn ich also zum Finanzamt sage, verwende meine Steuern nicht für Krieg und Kriegsvorbereitung dann erwidert mir das Finanzamt: „Die Steuern, die du zu zahlen hast, gehören gar nicht dir, sie gehören schon bei ihrer Entstehung dem Staat - und er kann demzufolge damit verfahren wie es ihm dünkt."

So wie der Absolutismus in der Staatsentwicklung eine Wucherung war, ist das noch absolutistische Verständnis von Steuern eine Fehlentwicklung. Da es aber immer eine Macht gibt und Steuern ihr Herzblut ist, hat dieses Verständnis überdauert. Die obrigkeitliche Festsetzung z.B., dass die Lohnsteuer nicht durch die entrichtet werden, die sie erarbeiten, sondern durch den Arbeitgeber; den Lohnsteuerzahlern also nicht einmal eine symbolische Verfügungsmacht über ihre Steuern zugebilligt wird, ist dafür signifikant. Eine solche Festsetzung mag zwar praktisch sein, aber sie entmündigt die Menschen.

3. Steuerboykott gegen Unrecht

Wer Unrecht beseitigen will, muss bei den Steuern beginnen, denn sie sind das Herzblut der Macht.

Die erste Großaktion in der Neuzeit war der organisierte Steuerstreik in den Niederlanden gegen die spanische Steuererhebung. Sie endetet 1581 unter der Führung des Prinzen Wilhelm von Nassau-Oranien mit der Unabhängigkeitserklärung der Nordniederlande.

Die heftigen Steuerstreiks und Steuerboykotts der amerikanischen Kolonisten gegen die britischen Steuern in den Jahren 1764 bis 1776, vor allem gegen die Stempelsteuer und die Teesteuer (Boston Tea Party) dehnten sich zur Freiheitsbewegung aus und führten 1776 zur Unabhängigkeitserklärung, mit der Folge der Loslösung der amerikanischen Kolonien vom Mutterland und der Gründung der Vereinigten Staaten.

Die französische Revolution begann damit, dass am 17.6.1789 der erweiterte dritte Stand, als Protest gegen Adel und Klerus den allgemeinen Steuerstreik ausrief.

Am 8.11.1848 wurde die preußische Nationalversammlung entmachtet, durch den königlichen Beschluss (Friedrich Wilhelm III) die Nationalversammlung von Berlin nach Brandenburg zu verlegen. Als die Deputierten darauf hin die allgemeine Steuerverweigerung beschlossen, wurde die Sitzung durch das Militär gesprengt.

Ein wesentliches Detail des indischen Unabhängigkeitskampfes war der gewaltfreie Kampf Mohanda Gandhis gegen die britische Salzsteuer. Es war nur ein Detail, aber es traf die britische Macht empfindlich.

4. Kriege nähren sich von Steuern

Die heutige Form der Einkommensteuer wurde zuerst in England zur Finanzierung der Kriege mit Napoleon eingeführt. In Deutschland wurde sie allgemein erstmals in Preußen 1891 bis 1893 eingerichtet, zur Finanzierung des Kriegsfinanzbedarfes.

Die heute noch geltende Schaumweinsteuer wurde 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt.

Im Frühjahr 1991 begründete die Regierung Kohl die Steuererhöhung mit den erhöhten Anforderungen durch den Golfkrieg.

Die jüngste Erhöhung der Tabaksteuer und der Versicherungssteuer, begründete die Regierung Schröder z. T. mit dem Kampf gegen den Terrorismus.

Dabei wurde bisher außer acht gelassen, dass jeder Steuerzahler automatisch „Verteidigung,", Waffenkäufe usw. unterstützt. Hat er sich allerdings zum Steuerboykott entschlossen, weil er ein Pazifist ist, wird er von Gerichts wegen belehrt: „Ein Gewissensproblem könne gar nicht auftreten, da die Verantwortung des Steuerzahlers mit seiner Zahlung ende und die des Parlamentes beginne." Das Parlament verabschiedet ja den Bundeshaushalt.

Damit ist die Frage aufgeworfen, wer ist nun verantwortlich für die Verwendung der Steuern, das Volk, oder diejenigen, welche die Verwendung festlegen, die Volksvertreter?

5. Verantwortung in einer Demokratie

Aufgaben kann der Bürger delegieren, Verantwortung nicht, sie bleibt auch in einer parlamentarischen Demokratie unabdingbar bei ihm. Das bestätigt das Grundgesetz. Darin heißt es im Art. 20 (2): „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus ....".

Die wirkliche, die haftende Verantwortung für alles, was die Abgeordneten als Volks-Vertreter tun, auch wie sie Steuern verwenden, liegt also letztlich beim Wahlbürger. Aufgaben sind im Staat delegierbar, Verantwortung nicht.

Daraus ergibt sich für den Bürger ein Dilemma: „Zahle als braver Bürger und bin blind für die Verwendung meiner Steuergelder?" Oder: „Soll der Staat, in dem ich lebe ein gerechter, friedlicher und sozialer Staat sein, in dem die Ausgaben nach dem wirklichen Willen der Bürger getätigt werden?"

Daraus ergibt sich zwingend ein Neuansatz in der Bewertung von Steuern als eine der Grundlagen des Gemeinwesens.

6. Das Zivilsteuergesetz

Im Herbst 2003 verabschiedete das Netzwerk Friedenssteuer, ein Zusammenschluss von Bürgern, die sich schon etliche Zeit mit dem gegenwärtigen Steuersystem seinen heimlichen und unheimlichen Kriegssteuern beschäftigen, ein Konzept eines Zivilsteuergesetzes. Es wurde aus 15 nationalen und internationalen Ansätzen in einem langen Diskussionsprozess herausgefiltert. Es hat folgende vier Eckpunkte:

1. Durch dieses Zivilsteuergesetz ist vom Bund ein unselbständiges Sondervermögen „Bundesmilitärfonds" einzurichten, das durch den Bundesminister der Verteidigung verwaltet wird.

2. Aus dem Bundesmilitärfonds sind alle Ausgaben zu finanzieren, die Militär und Rüstung betreffen. Außerhalb des Bundesmilitärfonds gibt es keine steuerfinanzierten Ausgaben für diesen Zweck. Zuschüsse oder Darlehen der Länder oder anderer steuerfinanzierter Körperschaften für den Bundesmilitärfonds sind ausgeschlossen.

3. Der Bundesmilitärfonds wird ausschließlich durch einen Prozentsatz der Einkommen- bzw. Lohnsteuer finanziert. Der Anteil der Länder an der Einkommensteuer bleibt unberührt.

Der Prozentsatz wird durch das Haushaltsgesetz vom Bundestag einmal jährlich festgelegt.

4. Einkommen- bzw. lohnsteuerpflichtigen Personen wird gem. Art. 4 GG das Recht eingeräumt, dass ihre Einkommen- bzw. Lohnsteuern zu 100 % den zivilen Haushalten zufließen (Zivilsteuerzahler).

Nach diesem Konzept können sich Steuerpflichtige als Zivilsteuerzahler eintragen. (Kreuz auf Lohnsteuerkarte oder Einkommensteuererklärung). Damit wandern ihre Steuern nur in die zivilen Haushalte. Ausschließlich von den Einkommen- bzw. Lohnsteuern all jener, die sich nicht als Zivilsteuerzahler eintragen, wird der Bundesmilitärfonds finanziert. Die indirekten Steuern, wie Mineralöl-, Tabak-, Alkohol-, Versicherungs- und Mehrwertsteuer wandern automatisch nur in die zivilen Haushalte.

7. Welche Vorteile ergeben sich aus einem solchen Steuergesetz?

Der Art. 4 des Grundgesetzes ist weitgehend erfüllt, Klarheit geschaffen im staatlichen Finanzwesen, das die Politik entlastet. Das Verantwortungsbewusstsein im Volk wird durch die Wahlfreiheit gesteigert und Ohnmachtgefühle werden beseitigt. Bürgerinnen und Bürger werden nicht mehr durch Gewissensskrupel in eine Leistungsverweigerung getrieben.

8. Aber wie kommt ein solches Zivilsteuergesetz zustande?

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff (Mitglied der Ethikkommission) schreibt in seinem kürzlich im Herder Verlag erschienenen Buch "Wie gewiss ist das Gewissen?" zu dieser Thematik der Kriegssteuer: "Wo der Staat über Alternativen verfügt muss er diese bereitstellen." Die Verpflichtung des Staates, gewissensneutrale Alternativen bereitzustellen wird nicht nur von Moraltheologen, sondern auch von Staatsrechtlern bejaht.

Aber damit ist noch lange nicht ein Bewusstsein in der Bevölkerung oder in der Politik da, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Erhard Eppler riet: "Werdet eine Million!" und Frau Däubler-Gmelin als Juristin rät zu massenhaften gerichtlichen Auseinandersetzungen, damit die Politik handeln muss. Das ist gewiss richtig gesehen, aber nicht jeder hat dazu Mut, Zeit und Geld.

Deswegen ist direkte Lobbyarbeit zu leisten. Das Netzwerk Friedenssteuer tut dies. Aber wir sind zu wenige. Wir müssen dies zusammen mit der ganzen Friedensbewegung tun und wir brauchen die Unterstützung, der Kirchen und Gewerkschaften und der neuen Sozialforen, wir brauchen die Öffentlichkeit.

Immerhin ist es durch Lobbyarbeit gelungen, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zu initiieren mit 6 Bundestagsabgeordneten der Regierungsparteien. Die gegenwärtige Opposition im Bundestag verweigert sich noch diesem Anliegen.

Die Lobbyarbeit bedarf auch der Thematisierung im Parlament. Dazu hat das Netzwerk Friedenssteuer die Unterschriftenkampagne "Zum FRIEDEN umSTEUERn" gestartet. 15 Tausend Unterschriften sollen in der ersten Stufe dem Bundespräsidenten überreicht werden, dann dem Bundestagspräsidenten und schließlich in der 3. Stufe den Faktionsvorsitzenden. Immerhin haben schon über neun Tausend Bürger unterschrieben.

Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:

"Ich trete für eine gesetzliche Regelung ein, nach der niemand gegen sein Gewissen gezwungen werden darf, durch Steuern und Abgaben zur Finanzierung von Militär und Rüstung beizutragen. Stattdessen ist die Verwendung dieser Zahlungen für zivile Aufgaben sicherzustellen." 

( nach oben) (Gästebuch)

Die 30-Stunden-Woche für Europa - Im 21. Jahrhundert stehen Nachhaltigkeit und die gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen auf den Plan, von Mohssen Massarrat (pdf)

Wirtschaftliche Triebkräfte von Rüstung und Krieg, Helmut Creutz (pdf.version)

Das System dynamischen Geldes, Geld macht Sinn-lich! - Ist Geld Sinn-los? (pdf-Datei), Wolfgang Berger

Bernd Senf, Fließendes Geld und Heilung des sozialen Organismus (pdf)


siehe auch EMANZIPATION HUMANUM


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