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Die Evolution des Humanen - Globalisieren des Friedens- Welt im Gleichgewicht
Jenseits von Gewalt und Unterdrückung

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- Internationale Solidarität -

Die Lernstunde des Tsunami

Wolfgang Fischer

 

.... zu Beginn dieses Jahres und nach der Erfahrung mit den Folgen des Tsunamis möchte ich einige Gedanken und Fragen mit Ihnen teilen und hoffe auf Reaktionen.

Was können wir aus dem Geschehenen lernen?

Warum reagieren wir nach den Folgen des Tsunamis mit einer derartigen Anteilnahme und warum nehmen wir andererseits die zerstörerischen Wirkungen von Kriegen, der Weltwirtschafts(un)ordnung und unserer modernen Lebensweise nicht zum Anlaß, ähnlich solidarisch für Abhilfe und Veränderung zu sorgen?

Was ist es, das uns davon abhält, uns energisch für ein Überwinden von Armut und globaler Ungerechtigkeit einzusetzen?

Die Welt ist von der bloßen Zahl der Opfer des asiatischen Tsunamis geschockt. Die Natur schlug an einem christlichen Feiertag zu. Sie traf international und sie traf Menschen unterschiedlichster Religion und Mentalität. Opfer sind nicht nur Fremde einer fernen Welt, sondern ebenfalls unsere Nachbarn und Familienmitglieder. 1000 Vermisste in Deutschland. Eine geschätzte Zahl von 160000 Toten.

Angesichts zerstörerischer kosmischer Kräfte gibt es Menschen, die danach fragen, warum Gott solches Elend zulasse?

Im Gegensatz zur täglichen Kriegsberichterstattung finden wir Bilder der Trauer in den Medien aller Welt. Weinende Europäer, trauernde Menschen aus Indien, Sri Lanka, Indonesien und anderen Nationen. Überall der gleiche Schmerz. Wir sehen: Überall auf der Welt fühlen Menschen denselben Schmerz. Der Schmerz um den Verlust von geliebten Angehörigen beweist, dass es keine nationalen, noch ethnische, noch religiöse Unterschiede gibt.

Eine weit reichende Solidarität entsteht und große Hilfe wird angeboten: Geld, Hilfskräfte und technische Ausrüstung. Die internationale finanzielle Hilfe summiert sich auf 4 Milliarden Dollar.

Dennoch müssen wir uns vor Augen führen, dass «die US-Regierung bislang 350 Millionen Dollar den Opfern des Tsunamis zugesichert hat, die britische Regierung 50 Millionen Pfund (96 Millionen Dollar). Die USA haben für den Irak Krieg 148 Milliarden Dollar ausgegeben, die Briten 6 Milliarden Pfund (11,5 Milliarden Dollar). Bislang läuft dieser Krieg über 656 Tage. Das bedeutet, dass die den Tsumani-Opfern zugesicherten Gelder der Vereinigten Staaten den Ausgaben von 1,5 Kriegstagen im Irak entsprechen. Die von den Briten versprochene Summe entspricht der von 5,5 Tagen unseres Kriegseinsatzes.» Zitiert nach George Monbiot, Die Opfer des Tsunamis bezahlen den Preis des Irak-Kriegs (The Victims Of The Tsunami Pay The Price Of War On Iraq).

Und George Monbiot fährt fort: «Wenn unsere führenden Politiker im Helfen der Menschen genauso freizügig wären wie in deren Morden, dann müsste niemals jemand Hunger leiden.»

Die vorläufig geschätzte Zahl von 160000 Tsunami Opfern hat eine riesige Welle an Solidarität in Bewegung gesetzt. Die Opferzahl gibt gar Anstoß zu frischen Gedanken in Richtung eines generellen Schuldenerlasses für die benachteiligten Länder. In der Presse ist neuerdings die Rede von Verantwortung der reichen Länder, von Gerechtigkeit und menschlichen Beziehungen unter den Nationen und Religionen.

Dennoch versucht die unbarmherzige Mentalität der Kapitalisten einen verlogenen Gegenangriff: ein Schuldenerlass würde die Glaubwürdigkeit der armen Länder ruinieren (Marc Beise, Süddeutsche Zeitung v. 8./9. Januar 2005).

Ist es nicht allerhöchste Zeit, die Gunst des Augenblicks unserer von dem Tsunami erweichten Herzen zu nutzen, um aus voller Überzeugung eine breite Front der Solidarität und des Einsatzes auch für die regelmäßig alle 6 Tage an den tödlichen Folgen unseres Weltwirtschaftssystems verhungernden 150000 Kinder zu beleben?

Im Falle dieser Opfer bemühen die Menschen weder Gottesschuld noch Schicksal. „Man" weiß, dass Armut, Hunger und Verhungern vom Menschen gemachte Erscheinungen sind und blendet gewohntermaßen die Opfer der Machenschaften politischer Interessen einfach aus der Wahnehmung aus.

Lasst uns daher die Präsenz der Bilder des Leids nutzen. Nehmen wir das weltweite Leid wahr und stellen wir uns diesem Leid und damit auch unserer Verantwortung. Hören wir auf, darüber zu argumentieren, welche Religion die Bessere sei oder welche Ideologie oder politisches Programm. Hören wir auf, Menschen in Gläubige und Ungläubige, in Gleiche und Ungleiche zu spalten. Lasst uns alle gemeinsam solidarisch handeln und unterstützen wir vehement die globalen Bewegungen für soziale wie ökologische Gerechtigkeit.

Unsere Aufgabe ist es, eine Existenz zu schaffen, die nicht verletzt und zerstört, die uns das Leben erleichtert und die uns und auch die Umwelt vor kosmischen Herausforderungen und Katastrophen schützt und die gleichzeitig die Gesetze der Natur respektiert, von denen manche Menschen glauben, sie seien göttlichen Ursprungs. Der Dienst am Nächsten ist der best vorstellbare Dienst. Gegenseitiges Unterstützen und Trösten ist Gottesdienst im eigentlichen Sinne. Lasst uns traditionell verwurzelte Zweifel hinsichtlich unserer Möglichkeiten und Fähigkeiten aufgeben und hinter uns lassen. Wir wissen es längst besser.

Beginnen wir, an uns selbst zu glauben. Fangen wir an, das allerbeste zu erhoffen. Verändern wir die sozialen Bedingungen auf unserem Planeten von Grund auf. Machen und leben wir eine Politik für das Leben.

Verschieben wir unsere Aufmerksamkeit hinweg von dort, wo sie ist, hin zum globalen Allgemeinwohl.

Von Bedeutung ist einzig und allein das Verbessern der allgemeinen Lebensqualität allen Lebens.

Lernen wir die Lektion des Tsunami.

Wir sind alle vom gleichen Fleisch, vom gleichen Geist und gleichen Ursprungs und wir wissen es.

Wenn Philosophie jemals für das globale Überleben von Bedeutung sein will, wenn Ideologie tatsächlich dem Allgemeinwohl dienen möchte, wenn Religion wahrhaftig darauf zielt, den Menschen mit der Quelle des Lebens und dem Ursprung allen Seins zu verbinden, dann müssen sie schließlich gemeinsam beginnen, die sozialen und politischen Notwendigkeiten jeden Augenblicks wahrzunehmen.

Emanzipation ad Humanum und mensch-sein.de
EMANZIPATION HUMANUM


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