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Der Staat Israel dürfte demnächst von einem identifizierten Kriegsverbrecher (Libanonfeldzug mit 30 000 Toten) und dem Organisator des Massakers von Sabra & Schatila (1500 Ermordete) regiert werden. Die neuen Historiker unterschiedlicher ethnischer Zuordnung bezweifeln, daß die Armee Scharons das Prinzip der "Reinheit der Waffen" für sich in Anspruch nehmen kann.

Hans Branscheidt, Medico International

 

Warum haben die Palästinenser 1948 ihre Heimstätten verlassen?

Ein Fall von "ethnischer Säuberung"

von Salah Abd el Dschawad

( pdf.datei )

 Dieser Aufsatz ist der vom Autor überarbeitete Text eines im vergangenen Jahr in Paris gehaltenen Vortrags.
Aus dem Französischen übersetzt von Karin Schulte.

 Vorwort

Die Gegenwart

Der Orient ist ein Land der Mythen, auch der politische Mythos blüht dort. Das im Jahre 1948 entstandene Israel hat lange um seines "nation building" willen über den Unabhängigkeitskrieg eine Version der historischen Ereignisse verbreitet, die inzwischen von den "neuen Historikern" des Landes selbst - etwa von Benny Morris - als zumindest teilweise revisionsbedürftig charakterisiert worden ist. Doch auch die andere, die palästinensische Seite hat ihre "neuen Historiker". Ihr Schulhaupt ist der Autor des folgenden Beitrages, der als Historiker der Bir-Zeit-Universität bei Ramallah lehrt und forscht. Der Beitrag widerspricht der These, Israels Kriegsführung sei durchgängig von der "Reinheit der Waffen" geprägt gewesen. Salah Abd el Dschawad stützt sich in seiner Untersuchung zwar auch auf schriftliche Dokumente, sieht sich aber aufgrund der Quellenlage sowie aufgrund der Tatsache, daß es eine eigenständige palästinensische Geschichtsschreibung lange nicht gegeben hat und nicht geben konnte, gezwungen, sich auf mündliche Quellen, auf die Aussagen von palästinensischen Zeitzeugen des israelischen Unabhängigkeitskrieges zu stützen. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, daß es sehr wohl einen "master plan" zur Vertreibung der Palästinenser gegeben habe - die Vertreibung also nicht nur ein gewissermaßen "natürliches" Ergebnis des Krieges gewesen sei. Hunderte von Zeugenbefragungen sowie die Konsultation bisher unbeachteter Archive hätten eine in der Vergangenheit bestrittene Wirklichkeit zutage gefördert: Vielerorts seien von der israelischen Armee Massaker an Palästinensern begangen worden - selbst in Dörfern, die mit dem Widerstand der Palästinenser nichts oder fast nichts zu tun hatten. Es habe eine Politik der Gewalt gegenüber den Palästinensern gegeben, die nicht aus den Zwängen der Kriegsführung heraus begründet gewesen sei. In der Auseinandersetzung unter anderen mit Benny Morris kommt Salah Abd el Dschawad zu dem Schluß, daß Teile der neueren Geschichte des Nahen Ostens, insbesondere die der israelischen Kriegsführung des Jahres 1948, wohl neu geschrieben werden müssen. (F.A.Z.)

 

Ein arabischer oder palästinensischer Historiker hat es schwer mit dem Krieg von 1948. Die Hauptfrage dieses Krieges lautet: Warum haben die Palästinenser ihre Häuser verlassen? Die Hauptschwierigkeit besteht nicht in der Auseinandersetzung mit der alten israelischen Historikerschule, sondern in der mit Historikern wie Benny Morris. Zweifellos nähert sich deren Beschreibung der Fakten der von den Palästinensern dargelegten Geschichte. Aber in drei wesentlichen Punkten stehen sie in totalem Widerspruch zu den palästinensischen Historikern.

Erstens verneinen sie den "master plan", einen umfassenden, detaillierten Plan zur Vertreibung - nach ihnen handelte es sich bei ihr lediglich um das "natürliche" Ergebnis des Kriegs. Allzu häufig halten sie es mit dem gängigen Spruch "Krieg ist eben Krieg".

Zweitens stellt ihre Geschichte die Palästinenser als gefügige Menschen hin, die widerstandslos aus ihren Häusern flohen. Die Zionisten hatten während des Kriegs von 1947-1948 nahezu 8000 Tote zu beklagen. Bemerkenswerterweise fiel mehr als die Hälfte zwischen Dezember 1947 (Kriegsbeginn) und dem 15. Mai 1948 (Einmarsch der Truppen der arabischen Staaten), also allein in der Auseinandersetzung mit den Palästinensern.

In dieser ersten Phase stützt sich die Strategie der Juden auf kleine mobile Einheiten, was sich als wenig effizient erweist, denn sie verlieren viele Kämpfer. Nach der Ankunft des amerikanischen Colonels David Marcus verändert sich die israelische Taktik. Jetzt werden die palästinensischen Dörfer mit zahlreicheren und besser ausgerüsteten Einheiten angegriffen. Und dann trifft vom 1. April an eine große Menge von Waffen aus der Tschechoslowakei ein. Konfrontiert mit regelrechten, 400 bis 500 Männer umfassenden Militäreinheiten, müssen die palästinensischen Dorfbewohner aufgeben. In den Dörfern gibt es durchschnittlich 40 bis 50 unterschiedliche Gewehre, gekauft von dem, was erübrigt wurde (durch Verkauf von Grundstücken, Schmuck der Ehefrauen . . .), aus aller Herren Ländern (England, Frankreich, Italien, Deutschland . . .) und mit Munition jeglicher Art.

Drittens halten die Israelis, was die Rolle Großbritanniens im Konflikt angeht, einen ihrer Mythen über den Krieg von 1948 aufrecht. Sie verteidigen die Vorstellung, sie hätten gegen die Briten gekämpft, und dementsprechend beziehe sich der Ausdruck "independence war" - Unabhängigkeitskrieg - auf eine Unabhängigkeit im Hinblick auf die Briten. Deshalb geht es heute meiner Meinung nach vor allem darum, den neuen israelischen Historikern Paroli zu bieten. Nach Jahren der Recherche kann ich versichern, daß eine neue Darstellung des Krieges von 1948 die Frage beantworten kann, warum die Palästinenser ihre Häuser geräumt haben.

Heute verfügen wir über neues Material und neue Analysen, die meines Erachtens dazu beitragen werden, die Geschichte von 1948 neu zu schreiben. Das heißt nicht, daß wir die "black box", das heißt den Generalplan, das grundlegende Dokument über die Vertreibung, gefunden haben. Ich bin auch der Meinung, daß dieser Plan oder diese "black box" als solche nicht existieren. Bei der Recherche geht es uns wie jemandem, der ein Verbrechen untersucht: Trotz des Leugnens des Täters gibt es ein Opfer, eine Waffe in der Hand des Täters mit Fingerabdrücken, und es gibt ein Motiv für das Verbrechen. Vor allem aber haben wir Hunderte von Zeugen, und heute, nach einer vergleichenden Studie der Aussagen dieser Opfer mit den jetzt zugänglichen israelischen Quellen, stellen wir eine außerordentliche Übereinstimmung zwischen den beiden Arten von Quellen fest.

 

Die palästinensische Geschichtsschreibung ist auf mündliche Quellen angewiesen

Das Ergebnis unserer Recherchen zeigt, daß die Palästinenser Opfer einer der größten "ethnischen Säuberungen" des 20. Jahrhunderts waren, die mit Hilfe eines Kriegs neuen Typs durchgeführt wurden. Jedoch erfolgte diese "ethnische Säuberung" nicht mit der Waffe des Völkermords, auch wenn es mehrere Dutzend Massaker gab, die zum großen Teil noch heute mit Schweigen übergangen werden.

Warum haben wir diese Untersuchung in Angriff genommen? Die Palästinenser haben es niemals geschafft, ihre eigene Darstellung der Geschichte auszuarbeiten, obwohl nun schon fünfzig Jahre seit dem Konflikt vergangen sind. Unsere Untersuchung stützt sich im wesentlichen auf mündliche Geschichtsdokumentation, aber nicht ausschließlich. So haben wir über viele Jahre hinweg den größten Teil der Sekundärquellen, das heißt sämtliche Literatur zum Thema auf französisch, englisch, arabisch und hebräisch, analysiert und gesammelt. Ich habe auch bisher noch nicht konsultierte Archive benutzt: das des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf, dessen Dokumente über den Krieg von 1948 erst seit zwei Jahren zugänglich sind; das in New York befindliche Archiv der UN-Beobachter, die 1948 nach Palästina entsandt wurden, und zionistische Dokumentationen, die aus ideologischen Gründen von den israelischen Historikern nie benutzt wurden.

Warum soll man heute die mündlichen Quellen heranziehen? Warum müssen die Palästinenser diese Arbeit leisten? In dem Buch des großen palästinensischen Intellektuellen und Historikers Walid Khalidi "All that Remains" gibt es ein echtes Problem: Meistens wird Benny Morris zitiert, und er ist nicht erschöpfend. So spricht der israelische Forscher Tedy Katz in seiner unlängst an der israelischen Universität von Haifa vorgelegten Doktorarbeit von einem Massaker, das am 23. Mai 1948 in dem Dorf Tanttura in der Nähe von Haifa verübt wurde. Gestützt auf palästinensische und israelische Augenzeugenberichte, konnte er das Massaker rekonstruieren. Doch blättert man das Werk von Khalidi durch, findet man nichts über dieses Geschehen. Im Forschungszentrum von Bir Zeit hat man so drei oder vier Massaker gefunden, die in diesem Buch überhaupt nicht erwähnt werden: die Tötung von 50 Palästinensern in Abu- Shusheh, sieben Kilometer südöstlich von Ramleh, am 14. Mai 1948; die am 13. Mai in Breirr bei Gaza verübten Greueltaten oder die von Tireh- Haifa, wo 28 bis 30 Palästinenser, die aus Altersschwäche ihre Dörfer nicht mehr verlassen konnten, am 16. Juli 1948 lebendig verbrannt wurden. In Khalidis Buch fehlen Fakten, denn die Palästinenser haben sich der mündlichen Quellen nie sachgerecht bedient.

Warum sind die mündlichen Quellen so wichtig? In der palästinensischen Gesellschaft wird die Geschichte mündlich überliefert. Einfaches Beispiel: Noch heute verfügen die Palästinenser über keine einzige historische Darstellung Palästinas im 19. Jahrhundert. Angesichts des Bildungsniveaus sowie des Mangels an Druckereien und Publikationsmedien ist Geschichte in der palästinensischen Gesellschaft eine Sache der mündlichen Überlieferung geblieben.

Die mündlich überlieferte Geschichte ist immer die Geschichte der Besiegten, während die geschriebene Geschichte häufig die der Sieger ist. Will man zum Beispiel die Gesellschaftsklassen im Frankreich des 16. Jahrhunderts kennenlernen, findet man reichlich Dokumente über Franz I. und sein Umfeld, aber nur wenig über die ärmsten Schichten der französischen Gesellschaft oder über die Minderheiten, die Frauen und so weiter. Die methodische Heranziehung von Zeugenaussagen ist in allen Fällen, die dem der Palästinenser ähneln, von großer Bedeutung.

1948 haben die Israelis 85 Prozent aller palästinensischen Dörfer, die sie unter Kontrolle bekamen, zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Über diese Dörfer ist bereits gearbeitet worden, da aus ihnen die meisten Flüchtlinge kamen. Doch über die Städte liegt wenig vor. 1948 fielen elf palästinensische Städte in die Hand der Israelis. Fünf davon wurden völlig entvölkert: Safad, Majdal, Bir Sabba', Tabariya (Tiberias) und Bissan. Nicht ein einziger Araber blieb dort zurück. Wie in den anderen fünf größeren Städten (Jaffa, Haifa, Akko, Ramleh und Lod) sowie in den arabischen Vierteln im Westen Jerusalems konzentrierten sich hier die palästinensische Intelligenz und der Mittelstand. Es gab Zeitungen, vor allem in Jaffa und Haifa sowie in den westlichen Vierteln der Heiligen Stadt. Da diese Städte gleich zu Beginn des Kriegs von 1948 besetzt wurden, existierte keine palästinensische Presse mehr, die über die Ereignisse hätte laufend berichten können. Schriftsteller und Historiker wie Khalil Sakakini, George Antonius lebten in diesen Städten und bewahrten dort ihre Dokumente, Archive und sonstigen Unterlagen auf (George Antonius starb vor 1948, doch waren all seine Papiere noch erhalten). Die israelischen Besatzer haben ihre sämtlichen Papiere, Memoiren, Privatbibliotheken entweder völlig zerstört oder beschlagnahmt. Diese Tatsache stellt für den palästinensischen Historiker ein großes Problem dar.

Die einzige Militärorganisation der Palästinenser, Al Dschihad al Moqaddas von Abdelkader al Husseini, führte ein Archiv. Dieses nahm aber im Juli 1948 die jordanische Armee in den beiden Dörfern Bir Zeit und Ein Sinia an sich, wo sich die Hauptquartiere dieser Armee befanden. Einige bei Privatpersonen aufbewahrte Briefe sind erhalten, aber das Militärarchiv, das Archiv der einzigen Militärtruppe der Palästinenser, ist nicht mehr vorhanden.

Ein großer Teil der palästinensischen Intelligenz und des palästinensischen Mittelstands hatte die Städte schon vor den Massakern verlassen, gleich zu Kriegsbeginn. Sie waren nicht mehr da, um zu sehen, was geschah. Für einige von ihnen ist es schwierig, eine Aussage zu machen, über all das zu sprechen, denn sie fühlen sich schuldig, weil sie sich vorher abgesetzt hatten.

Was die zionistischen Quellen betrifft, so sind die Archive wohlgeordnet, gut organisiert, von Gesetzen geregelt (wie in Frankreich oder den Vereinigten Staaten, denn Israel ist eine Demokratie für die Juden). Nach dreißig Jahren sind die politischen und nach fünfzig die militärischen Dokumente zugänglich. Es bestehen aber drei Bedingungen, welche die Veröffentlichung von Elementen verbieten, die sich auf sensible Themen beziehen, insbesondere solche, die die von der israelischen Armee begangenen Massaker betreffen. Gemäß diesen drei Bedingungen darf eine Veröffentlichung der Dokumente nicht:

- das Bild des Staates Israel beflecken

- die Sicherheit des Staates Israel beeinträchtigen

- noch lebende zionistische Persönlichkeiten in Verlegenheit bringen

Aufgrund dieser Bedingungen gab es keine andere Lösung, als die Primärquellen, die Opfer selbst, heranzuziehen. Henry Laurens hat über die - meiner Meinung nach relative - Öffnung der Archive der ägyptischen Armee gesprochen. Doch die Mehrheit der arabischen Staaten läßt ihre Archive nicht wirklich einsehen. So ist es von Anfang an schwierig, die schriftlichen Quellen heranzuziehen. Hinzu kommt, daß die israelische Dokumentation nicht nur einseitig ist, wie es Benny Morris in einem seiner Artikel im "Journal of Palestinian Studies" gezeigt hat ("Falsifying the record: A fresh look at Zionist documentation of 1948"; Frühjahr 1995). Es werden auch Fakten verfälscht. Da kommen Fälschungen von Anfang an vor - beispielsweise von Ben Gurion selbst, dem klar war, daß man später seine Dokumente und Tagebücher lesen würde; er schrieb von Anfang an ganz bewußt für die Geschichte, und zwar gerade, um die Historiker zu täuschen. Oder es gab nachträgliche Fälschungsversuche - zum Beispiel die Bestrebungen Ende der siebziger Jahre, die Veröffentlichung der Memoiren Moshe Sharetts zu verbieten oder bestimmte Seiten oder bestimmte Passagen, zum Beispiel die über die Besetzung der Stadt Lod durch Jitzhak Rabin. Oder die noch bedeutendere Fälschung der zwei "Ingenieure" der Vertreibung, Youssef Weitz und Youssef Nahman.

Aus all diesen Gründen erscheint die mündliche Geschichtsdokumentation wichtig. Der Einsatz einer neuen Methode, natürlich in Verbindung mit schriftlichen Quellen, ergibt eine wertvolle und verläßliche Analyse. Mit dieser Methode haben wir Dutzende neuer Ergebnisse bezüglich des Kriegs gefunden. Hier beschränke ich mich auf die Frage der Massaker.

Die Massaker haben bei der Vertreibung und dem Exodus der Palästinenser eine große Rolle gespielt. Das erste Resultat war eine Überraschung für uns, sogar für uns Palästinenser. Nicht für die Palästinenser auf der Straße, aber für uns palästinensische Historiker. Die Überraschung, Dutzende von Massakern zu entdecken! Zuerst muß eine wichtige Frage geklärt werden: Was ist ein Massaker? In den Büchern über den israelisch- arabischen Konflikt benutzen Autoren das Wort "Massaker", ohne es jemals zu erläutern. Ich werde zunächst diesen von mir benutzten Ausdruck definieren.

Ein Massaker ist die Exekution von Zivilisten, Militärs oder paramilitärischen Kräften nach ihrer Kapitulation oder nach der Kapitulation ihrer Stadt beziehungsweise ihres Dorfs, nachdem diese Städte, Dörfer oder Einheiten der Kontrolle der israelischen Militärverwaltung unterstellt worden waren. Somit wurden die Massaker ohne militärische Notwendigkeit verübt. Das Massaker kann durch Bombardierung aus der Luft erfolgen, mit dem Ziel einer "ethnischen Säuberung" und unter Bedingungen, die den Einsatz militärischer Kräfte nicht erforderlich machen. Die von mir gewählte Definition ist sehr restriktiv. Legt man eine weiter gefaßte Definition zugrunde, zum Beispiel sämtliche Angriffe, die auf die Terrorisierung der Zivilbevölkerung abzielten, könnte man von Hunderten von Fällen sprechen! Ich nenne hier drei Beispiele, die ich von meiner Untersuchung ausgeschlossen habe.

12. Dezember 1947: Bewohner des libanesischen Dorfs Kufr Kala töten einen israelischen Siedler in der Nähe des Dorfs Khassas im Norden von Palästina. Obwohl dem israelischen Geheimdienst bekannt ist, daß der Siedler von Libanesen umgebracht wurde, betreten die Israelis noch am selben Abend das Dorf Khassas, während die Bewohner schlafen. Sie töten 12 Zivilisten, darunter fünf Frauen und vier Kinder. Dabei fiel seitens der Dorfbewohner kein einziger Schuß, diese Leute waren völlig unbewaffnet.

29. Dezember 1947 im Dorf El Sheikh (al Scheich): Die Irgun, die Organisation Menachem Begins, läßt Soldaten palästinensische Arbeiter angreifen, die vor dem Eingang der Raffinerie in Haifa auf einen Bus warten. Sieben Palästinenser werden getötet. Die unbewaffneten Palästinenser laufen sofort in die Raffinerie. Bei den Auseinandersetzungen kommen 40 jüdische und sieben arabische Arbeiter um. Zwei Nächte später organisiert die Haganah eine "Repressalie" gegen El Sheikh: 61 Palästinenser, sämtlich Zivilisten, werden getötet. Auch diesmal wird seitens der Dorfbewohner das Feuer nicht eröffnet.

13. Dezember 1947: Die Irgun verübt fünf Attentate. Erstes Beispiel: Sie läßt einen mit Sprengstoff vollgestopften Wagen in der Nähe des Damaskustors in Jerusalem stehen. Zweites Beispiel: Als Araber verkleidete Männer klopfen an die Tür eines Hauses in Tireh-Haifa, wo man ihnen öffnet und sie empfängt. Am nächsten Tag legen diese Terroristen Bomben im Haus. Dabei kommen 17 Personen um, alle Zivilisten, darunter elf Frauen und Kinder.

Diese Attentate betrachte ich nicht als Massaker. Mit all diesen Beispielen wollte ich zeigen, wie restriktiv ich diesen Begriff handhabe. Doch nun zu den Ergebnissen unserer Untersuchung, soweit sie die Massaker betraf.

Eines der ersten Ergebnisse zeigt, daß es Dutzende von Massakern gab, eine Zahl, die man noch nie zuvor gefunden hatte und die alle Schätzungen übersteigt. Diese Massaker wurden zunächst nur begrenzt verübt. Zu Kriegsbeginn waren es wenige im Vergleich zu der im April 1948 beginnenden Phase. Das ist mit der Präsenz britischer Truppen zu erklären. Die Israelis konnten nicht im großen Maßstab agieren, weil die Briten hätten intervenieren und diese Massaker aufhalten oder Untersuchungen anstellen können. Auf diese Weise wäre die ganze Welt aufmerksam geworden, und die internationale öffentliche Meinung hätte sich gegen die Israelis gekehrt.

Das erste Massaker, das wir aufgelistet haben, findet Anfang Februar 1948 in Cäsarea statt, einem bekannten Fremdenverkehrsort. Das Städtchen, für die Juden ein "befreundeter" Ort (Erklärung dieses Begriffs weiter unten), wird ab Februar 1948 besetzt. Die Juden beginnen damit, daß sie eine Bombe in den zwischen Cäsarea und Haifa verkehrenden Bus legen. Das führt zu mehreren Toten. Die Leute verstehen die Botschaft. Ein Großteil der Bevölkerung verläßt bereits den Ort. Es bleiben aber immer noch Hunderte von Personen zurück, darunter Bosniaken, Kaukasier, Muslime. Die Israelis treffen ein. Sie versuchen es mit psychologischer Kriegführung, aber die Bewohner weigern sich zu gehen. Fünfzehn Personen werden ausgesucht und getötet. Prompt leert sich der Ort vollständig.

 

Die israelische Armee verübte zahlreiche Massaker

Außerdem stellen wir fest, daß diese Massaker unter Bewohnern von Dörfern verübt werden, die entweder neutral sind oder freundschaftliche Verbindungen zu jüdischen Kibbuzim und Moshav-Siedlungen in der Umgebung pflegen oder sogar mündliche Nichtangriffsabkommen zwischen beiden Seiten getroffen haben - zu dieser Kategorie gehört Deir Yassin.

Aber zurück zum Beispiel Cäsarea. Ein Teil der Einwohner sind Bosniaken, die aus Jugoslawien kamen (eine der Familien heißt Begovic und gehört zu derselben Familie wie der Präsident von Bosnien-Hercegovina, Izetbegovic) und sich hier als erste ansiedelten. Einige Jahre später kommen Kaukasier aus Rußland an. Diese beiden Gruppen kamen aufgrund von Verfolgungen hierher. Sie hatten keine nationalistischen Gefühle und freundeten sich rasch mit den Juden in der Umgebung an. Sie gaben sogar Ländereien an die Juden ab. Sie arbeiteten als Wächter und schützten die Felder der jüdischen Siedler. Loyalität ist ein Kernelement ihrer Mentalität. Bei meinen Interviews mit ihnen war es interessant zu beobachten, wie sehr sie es in Verlegenheit brachte, daß sie nichts von Widerstand gegen die Zionisten zu berichten hatten.

Trotzdem wurden diese Einwohner umgebracht. In Deir Yassin wiederholt sich das Schema, und das ist eines der Probleme von Deir Yassin, dessen Bewohner auch enge Beziehungen zu den Siedlern von Giv'at Schaul unterhielten. In den beiden Dörfern Quireh und Abu Zreik ereignete sich ebenfalls ein Massaker. Oder das Dorf Tanttura, wo das Massaker "vor kurzem entdeckt" wurde. Das Wort "entdecken" wird zwar öfter benutzt, in Wirklichkeit handelt es sich aber nicht um Entdeckungen, denn es gab Personen, die schon früher davon gesprochen hatten.

In den beiden Dörfern Quireh und Abu Zreik zum Beispiel pflegten die Bewohner freundschaftliche und wirtschaftliche Beziehungen mit den Israelis. Letztere haben sogar zwei Kollaborateure ins Dorf gesetzt, damit sie die Bevölkerung zu Angriffen gegen die israelische Siedlung anstachelten, um einen israelischen Gegenangriff zu rechtfertigen. Aber die Dorfbewohner gaben sich dazu nicht her. Was haben die Juden also gemacht? Zwei Siedler werden ins Dorf geschickt und schießen von dort auf die jüdische Siedlung. Somit gibt es am folgenden Tag ein Massaker. Die Informationen zu diesem Fall bekam ich von Iyal Ofeq, der im benachbarten Kibbuz Hazoreia' arbeitete und den ganzen Vorgang erklärt hat. Deir Yassin, Cäsarea, Quireh, Abu Zreik, Tanttura - aus diesen fünf Beispielen ergibt sich eine wichtige Erkenntnis.

Was ist daran wichtig? Das beweist meines Erachtens, daß für die Palästinenser, selbst wenn sie 1948 den Teilungsplan akzeptiert hätten, die Vertreibung auf jeden Fall vorgesehen war.

Aufgrund dieser Quellen und Dokumente lassen sich die Massaker in fünf oder sechs Typen einteilen:

1. Massaker, die als Botschaft für lediglich ein Dorf gedacht sind. Es werden nur zwei oder drei Personen getötet - vor aller Augen festgenommen und umgebracht. Dann verlassen die Einwohner das Dorf. Dazu zwei Beispiele: das Massaker in Bi'neh und Deir Al Assad in Galiläa. Nach der Besetzung am 29. Oktober 1948 versammelte die israelische Armee alle Einwohner an einem Ort zwischen den beiden Dörfern. Sie nahm vier kräftige junge Männer zwischen 19 und 23 Jahren und brachte sie vor der versammelten Einwohnerschaft um. Das gleiche geschah in dem christlichen Dorf Aylabun. Nach der Kirche wurden die Leute abgeholt und vor aller Augen an einer Wand erschossen.

2. Das Massaker, das als Botschaft für ein ganzes Gebiet gedacht ist. Zehn oder wie in Aylabun sogar zwölf Menschen zu töten genügt nicht. In diesem Fall wird ein umfassendes Massaker ohne Selektion organisiert. Es werden Kinder, Frauen, Alte umgebracht. Beispiel Dawayemeh: Das Dorf wird am 29. Oktober 1948 gegen Mittag besetzt, genau zur Stunde des Freitagsgebets. Die Einwohner hatten mit der Besetzung gerechnet und waren geblieben. Sie gehen - vor allem die Alten - in die Moschee dieses Orts. In diesem Fall, denken sie - und das dachten die Leute in vielen palästinensischen Städten und Dörfern -, wird die Kirche oder die Moschee ihnen Schutz bieten. Häufig erwies sich dies als verhängnisvoller Irrtum. Als die Israelis ins Dorf kommen, leistet ein einzelner alter Mann Widerstand. Es gab also keinen Grund, die ganze Bevölkerung umzubringen. Ein israelischer Panzer machte sie nieder. In der Moschee hat keiner überlebt, sie wurden alle umgebracht.

Der zweite Teil des Massakers betrifft drei oder vier Großfamilien, die sich in eine Höhle namens Tor al-Zaga geflüchtet hatten. Die Israelis entdecken dieses Versteck, gehen bewaffnet hin und mähen alle mit dem Maschinengewehr nieder. Wir zählen zwei Überlebende, einer davon ein Mädchen. Später, 1984, erzählte sie das einer israelischen Journalistin, Ilana Hershavi, die damals bei der Zeitung "Coteret Rachit" arbeitete. Hier gehe ich nicht auf Einzelheiten ein.

3. Der dritte Massakertyp: Dorfbewohner wurden auf freiem Feld umgebracht, nachdem man sie dorthin verfolgt hatte. Es wird von Hunderten Getöteter gesprochen. Warum wurden sie auf diese Weise umgebracht? Weil die Israelis unbedingt alle Dörfer und Städte in der Gegend von Hebron kontrollieren wollten. Sie organisierten ein umfassendes Massaker, um einen massiven Exodus zu provozieren.

4. Die an Kriegsgefangenen verübten Massaker. Davon gibt es zwei Arten. Zum einen das Massaker von Ein Zaytun. Dieses Dorf ist nur eineinhalb Kilometer von Safad entfernt. Nach der Besetzung wurden siebzig junge Palästinenser zurückgehalten, die restlichen Einwohner mit Schüssen knapp über ihren Köpfen gezwungen, den Ort zu verlassen. Wir stießen auf palästinensische Zeugenaussagen, denen zufolge diese jungen Leute von den Israelis abgeholt worden sind. Man muß sich das vorstellen: Die palästinensische Bevölkerung blieb bis 1967 (von 1948 bis 1967!) in dem Glauben - sie gab die Hoffnung nicht auf -, daß ihre Kinder vielleicht noch am Leben seien. Doch jetzt haben wir in den Dokumenten der israelischen Armee, die, wie gesagt, geheim sind, zu denen wir aber gelegentlich doch Zugang hatten, Papiere gefunden, die beweisen, daß diese siebzig jungen Männer umgebracht wurden. Nachdem man sie mit einem Strick aneinandergebunden hatte, wurden sie von zwei Soldaten mit dem Maschinengewehr niedergemäht. Erst als ein unmittelbar bevorstehender Besuch von Delegierten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) angekündigt worden war, wurde Soldaten befohlen, die Leichen loszubinden.

Das andere Beispiel für die Exekution von Kriegsgefangenen betrifft die Internierungslager. Zu den außerordentlichen Dingen, die ich in den IKRK- Archiven gefunden habe, gehören Fotos der Lager für palästinensische Gefangene. Es ist das erste Mal, daß solche Fotos zum Vorschein kommen, denn kein Fotograf konnte in diese Lager gelangen. Nun gab es in diesen Lagern natürlich Leute, die ermordet wurden, wie es vor kurzem in den Lagern in Tschetschenien geschah, also sozusagen per Zufall, wenn die Soldaten eben Lust zum Zuschlagen oder Schießen haben. Aber das Gefährlichste, das Wichtigste betrifft die Personen, die von den Israelis gesucht wurden, das heißt Militante, über welche die Israelis erfahren hatten, daß sie in ihren Dörfern besonders aktiv gewesen waren. Die Israelis bildeten sofort ein improvisiertes Militärtribunal und erschossen sie auf der Stelle. Das war natürlich nicht bekannt.

5. Die Massaker zur "Säuberung" der Dörfer von zurückgebliebenen Alten. In allen palästinensischen Dörfern mußten die Leute rasch fliehen und die Alten zurücklassen, weil sie keine Zeit hatten, sie mitzunehmen. Als kleiner Junge hörte ich zum Beispiel eine Frau aus Lod weinend erzählen, daß sie bei der Flucht ihre Tochter zurückgelassen habe. Das habe ich niemals geglaubt! Aber bei der Recherche stellte sich heraus, daß solches "Vergessen" tatsächlich vorgekommen war, in mehr als einem Dorf. In mindestens drei Dörfern und zwei Städten ereignete sich der gleiche Fall. Doch um auf die Alten zurückzukommen: Wenn die Einwohner wegen terroristischer Aktionen ihre Häuser, ihr Land fluchtartig räumten, ließen sie ihre alten Verwandten häufig zurück. Sie hatten keine Zeit mehr, diese aufzusuchen und mitzunehmen. In Lod zum Beispiel verbot die israelische Armee der Bevölkerung nicht nur, Autos zu benutzen (hingegen sind zum Beispiel die Bewohner von Ramleh mit ihren Autos weggefahren oder auch die Bevölkerung von Tiberias, die sogar Hab und Gut mitnehmen konnte). In Lod konnten sie weder Autos noch Lastwagen, nicht einmal ihr Vieh mitnehmen. Die Israelis verboten ihnen sogar, asphaltierte Straßen zu benutzen. Es muß ein fürchterlicher Marsch für diese Leute gewesen sein - am zweiten oder dritten Tag des Ramadan im besonders heißen Sommer des Jahres 1948. Ein regelrechter Todesmarsch: Man spricht von wenigstens 250 bis 350 Menschen, die während dieses Marsches allein umgekommen sind. Meiner Einschätzung nach war Lod der Schauplatz des größten Massakers von 1948.

Es gab also Umstände, unter denen die Einwohner die Alten zurückließen, weil sie sie nicht mitnehmen, nicht tragen konnten. Außerdem gingen die Leute davon aus, daß die Soldaten die Alten nicht töten würden. Das war auch manchmal der Fall: Nach der Besetzung einer Stadt oder eines Dorfs ließen die Israelis einige Alte am Leben. Manchmal töteten sie sie später. Aber am häufigsten stößt man auf diese Massaker an alten Menschen. Das bedeutendste wurde am 16. Juli 1948 in Tireh-Haifa verübt. Es war ein großer Ort, der Widerstand geleistet hatte, ein "hartes" Dorf. Nach langem Widerstand hatten die Kämpfer einen Durchbruch erzielt und sich mit arabischen Truppen vereinigt. Doch ließen sie 28 - oder 30, da gibt es einen Widerspruch in den Zahlen - Alte zurück. Diese Menschen wurden festgenommen und in einen Bus der israelischen Armee gesteckt. Er brachte sie in die Nähe des Orts Lajjun, zehn Kilometer südöstlich von ihrem Dorf. Die Israelis ließen sie aussteigen. Es war Sommer, es gab trockenes Gestrüpp. Sie verschütteten Petroleum und töteten und verbrannten die Alten. Als wir dieses Zeugnis hatten, gab es ein Problem. Nur eine Frau hatte überlebt. Diese Frau lebte später im Flüchtlingslager Yarmuk bei Damaskus, und wir konnten sie vor ihrem Tod nicht mehr sprechen. Als wir auf diese Fakten stießen, konnten wir sie nicht berücksichtigen. Wir mußten vorsichtig sein, um keine schwerwiegenden Irrtümer zu begehen, die die gesamte Verfahrensweise unserer Arbeit in Frage stellen würden. Doch einige Jahre später traf ich eine Israelin, die in drei palästinensischen Dörfern arbeitete. Sie gab mir ein Dokument der israelischen Armee. In diesem Dokument steht natürlich nicht, daß die Israelis die Alten ermordet hatten. Aber die Militärs erwähnen - ohne jede Erklärung -, daß an jenem Ort 28 verbrannte Leichen gefunden worden seien. Implizit bestätigte dieses Dokument unsere Arbeit.

Nachdem wir die Ergebnisse unserer Arbeit vorgelegt haben, können wir eine Schlußfolgerung ziehen und den neuen Historikern antworten. Es gab sehr wohl einen "master plan", einen Generalplan. Nach der Analyse der außerordentlichen Logik, die hinter diesen Massakern steht, kann ich das behaupten.

 

Warum diese Massaker?

Die Zerstörung der Dörfer ist nicht auf den Krieg zurückzuführen. Kein einziges der 418 Dörfer (oder 472, das hängt davon ab, wie man ein Dorf definiert) wurde bei Militäroperationen zerstört, und zwar aus mehreren Gründen:

- Zunächst sind die Häuser der Palästinenser sehr solide, aus Steinquadern gebaut.

- Sodann war die Feuerkraft der Israelis 1948 begrenzt und wenig präzise. Die Anzahl der Granaten und sonstigen Geschosse ließ die - teilweise oder völlige - Zerstörung auch nur eines einzigen Dorfs nicht zu.

- Außerdem gibt es Dutzende von Dörfern, deren Bevölkerung schon vor dem Kampf floh, die von den Soldaten ohne Kampf betreten wurden. (Ohne jetzt weiter auf den Krieg von 1948 einzugehen, behaupte ich: Die Palästinenser haben vier Monate lang heroischen Widerstand geleistet. Es ist kaum zu begreifen, wie sie das geschafft haben. Aber nach diesen vier Monaten brach mehr oder weniger alles zusammen. In vielen dieser Dörfer begann die Bevölkerung, sich abzusetzen, en bloc zu fliehen.) Die Dörfer sind also nicht aufgrund des Kriegs zerstört worden.

Auch die Massaker hatten nichts mit dem Krieg zu tun. Hier ist eine außerordentliche Logik am Werk:

- Wenn am 12. April 1948 in Nasser-Al-Dein ein Massaker verübt wird, dann deshalb, weil die nahe gelegene Stadt Tiberias belagert wird. Das Massaker ereignete sich vier Tage vor der Einnahme von Tiberias. Es ging darum, die Stadt zu demoralisieren.

- Wenn in Dawayemeh ein Massaker verübt wurde, dann deshalb, weil die Israelis das ganze Gebiet um Hebron besetzen wollten.

- Wenn das Massaker von Ein Zaytun am 6. Mai 1948 ganz in der Nähe von Safad verübt wurde, dann deshalb, weil die Stadt Safad belagert wird; sie fällt vier Tage später, am 10. Mai 1948.

So gab es viele Massaker, nicht nur das von Deir Yassin. Und sie gehorchten einer Logik. Was Deir Yassin betrifft, so muß man erklären, warum nur von diesem Massaker gesprochen wird. Zu den Mythen der israelischen Geschichtsschreibung gehört die These von der "Reinheit der Waffen". In diesem Sinn erwähnen nämlich sämtliche israelischen Quellen Deir Yassin: eben als Ausnahme von dieser These. Warum? Dieses Massaker ist von den Briten, vom IKRK, vom Korrespondenten der New York Times unter anderen registriert worden. Es war objektiv nicht zu leugnen. Also benutzt man es, um zu behaupten, das sei die Ausnahme, das Werk von Dissidenten und so weiter. Betrachtet man aber die Logik in der zeitlichen Abfolge, in der Wahl von Zeitpunkt und Ort, die Zahl der Getöteten, die Art und Weise, wie das Massaker verübt wurde, dann beweist all dies ganz eindeutig, daß ein Plan hinter diesen Untaten steht.

Diese Massaker waren, würde ich sagen, aus der Sicht der zionistischen Bewegung notwendig: Der Zionismus war seinem Wesen nach dazu "verpflichtet", diese Massaker zu begehen. Sobald die zionistische Bewegung beschlossen hatte, einen Nationalstaat, den Staat der Juden, einen rein jüdischen Staat nach europäischem Muster zu errichten, in dem die nationale Identität für alle gleich sein muß, gab es keinen Platz mehr für die palästinensischen Araber. Außerdem folgt der Zionismus damit einer Mode. Zwar ist die zionistische Bewegung wegen der von den Juden erlittenen Unterdrückung in gewisser Hinsicht eine nationale Befreiungsbewegung, sie ist aber ebenso eine kolonialistische Bewegung (Maxime Rodinson hat das in seinem genialen Artikel "Israël, fait colonial" in "Temps modernes" genau erklärt). Von Anfang an, von dem Moment an, in dem sie beschloß, einen Staat zu errichten, der die einheimische Bevölkerung ganz ausschließt, einen Staat mit kolonialem Charakter, von diesem Moment an hat sich die zionistische Bewegung den Massakern genähert.

Meiner Meinung nach liegt das Genie Ben Gurions, des obersten Organisators des Ganzen, darin, verstanden zu haben, daß er nicht das amerikanische Modell importieren oder das australische kopieren konnte (das britische Modell in Tasmanien, wo die Bevölkerung vollständig ausgelöscht wurde). Aus verschiedenen Gründen konnte er keinen neuen Völkermord begehen. Also erarbeitete er ein ganz außerordentliches System: den umfassenden, aber nicht chaotischen Einsatz von Gewalt. Ein kalkuliertes, durchdachtes System, dessen Ziel nicht die physische Liquidierung eines Volkes ist, sondern seine Vertreibung, die "ethnische Säuberung" einer ganzen Region, die völlige Säuberung eines Raums, aus dem alles ausgelöscht wird, was noch an die Anwesenheit von Arabern in dieser Weltgegend erinnern kann.

 

Das Recht der Israelis auf Heimat gibt ihnen keinesfalls das Recht, anderen die Heimat zu nehmen. Frieden in Palästina kann es nur in einer kooperativen Gemeinschaft aller dort lebenden Menschen geben.

Frieden auf diesem Planeten kann es nur in einer kooperativen Gemeinschaft gleichberechtigter Völker geben

 

siehe auch:

Die ethnischen Säuberungen des Zionismus, von Jean Shaoul

Die Nahost-Verhandlungen scheiterten an der Weigerung des zionistischen Staates, das Rückkehrrecht der Palästinenser anzuerkennen, die ihre Häuser und ihr Land nach der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 verloren hatten.

Teil 1: Israel und das Rückkehrrecht der Palästinenser, 26. Januar 2001, aus dem Englischen (23. Januar 2001)

Teil 2: Israels Expansion vermehrt die palästinensischen Flüchtlinge, 27. Januar 2001, aus dem Englischen (24. Januar 2001))

WSWS-Themenseite: Naher Osten


Unter der Überschrift

Der Staat Israel erklärt feierlich sein Bedauern & Flucht und Vertreibung der Palästinenser in deutschen Online-Medien

»Ethnische Säuberungen« (Quelle: http://www.henryk-broder.de/html/fr_eussner.html v. 13. 11. 2006)

schreibt Frau Gudrun Eussner auf der homepage von Henryk M. Broder unter anderem:

Zitatanfang - »Warum haben die Palästinenser 1948 ihre Heimstätten verlassen? Ein Fall von 'ethnischer Säuberung' von Salah Abd el Dschawad«, ist der erste auf den deutschen Google-Seiten gefundene Beitrag. Eingestellt auf GAIA, der Web Site des ehemaligen Sanitätsoffiziers der Bundeswehr Dr. Wolfgang Fischer. »GAIA - Menschsein als Aufgabe. Das Bekenntnis zu einer 'verantwortlichen Menschlichkeit' und ein Handeln im Sinne der Liebe ebnen den Weg in eine gesunde (sic!) und friedliche Zukunft.« GAIA ist gegen »Beherrschung durch Macht und Geld«, gegen das »Monster der Zivilisation: den global um sich greifende Kapitalismus«, eine milde Umschreibung von: gegen das internationale Judentum und das raffende Kapital. - Zitatende

...... Die Leser meiner Seiten mögen selbst entscheiden, ob meiner Zivilisations- und Kapitalismuskritik tatsächlich ein antisemitischer Charakter unterstellt werden kann oder ob ich nicht vielmehr versuche, unter der Oberfläche des allgemeinen Diskurses gedanklich tiefer anzusetzen.....


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Emanzipation Humanum, Version 02. 2001, Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt, Dialog sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht. Übersetzung in andere Sprachen erwünscht. Kürzungen und Änderungen nach Absprache möglich.

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