Suche auf den GAIA - Seiten

  powered by FreeFind
Suchbegriff hier eingeben

Site Map    Was ist neu?    Suche

Die Zivilisation entlarvt sich als staatlich sanktionierter Vandalismus nicht nur in den naturgeschützen Gebieten von Arktis bis Regenwald und von Meerestiefe bis Weltall, nein, nun ist auch der Bereich der geistig-intellektuellen Auseinandersetzung bedroht:
"Political Correctness" erhebt die Lüge zur Norm!

 

Plädoyer für eine neue Qualität des Mensch-Seins

von Wolfgang Fischer

( spanisch ) ( englisch ) ( pdf.format )

 

 

Wir wähnen uns aufgeklärt. Seit geraumer Zeit sind die Zusammenhänge von Zeugung und Entstehung neuen Lebens Allgemeinwissen. Bekannt ist u.a. auch, daß Frösche eben Frösche zeugen und Vögel Vögel. Aus einem befruchteten Dinosaurierei schlüpften kleine Dinosaurier genauso wie aus einem befruchteten Schimpansenei ein junger Schimpanse entsteht.

An diesem Zusammenhang besteht kein Zweifel oder besser gesagt, bestand kein Zweifel. Denn im Juni des Jahres 2001 behauptet doch immerhin der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, daß für ihn eine befruchtete menschliche Eizelle kein Mensch sei!

Es ist nun nicht so, daß dieser herausragende Vertreter des Wissenschaftsapparats seine Behauptung aus Gründen des Nichtwissens aufstellt. Nein, er weiß, daß sich aus einer befruchteten menschlichen Eizelle bis heute nichts anderes als ein Mensch entwickelt hat. Er weiß es, behauptet jedoch, diese Eizelle sei kein Mensch. Warum tut er das? Er möchte der gentechnischen Forschung das Gewissen erleichtern und Kritiker derselben verunsichern. Er will anderen weismachen, Kannibalismus sei kein Kannibalismus, wenn es nur einen Vorteil bringt (denn wo liegt der Unterschied zwischen dem Essen der Artgenossen und dem sonstigen Verwerten ihrer Zellen?). Er will andere glauben machen, daß die befruchtete menschliche Eizelle, die Kombination also von Eizelle und Spermium, erst zu einem späteren Zeitpunkt menschlich würde. Was ist sie denn bis dahin? Pflanzlich? Neutral? Neo-liberal?

Reine Willkür ist hier am Werk, angetrieben von verantwortungsloser Profit- und Allmachtsgier. Denn was noch, außer der Eizelle der Mutter und dem Spermium des Vaters, sollte das menschliche Kind ausmachen? Ein göttlicher Nebelhauch etwa so 2 Wochen nach der Befruchtung? Arme Wissenschaft! Solch ein Gedanke aus deinem Munde im 21. Jahrhundert! Warum nur wirfst du dich derart kritiklos in den Rachen des Mammons?

Halt! ruft jetzt eine Stimme, es geht ja hier nicht um Kannibalismus, sondern um Heilung zukünftigen Lebens. Ja, stimmt das denn überhaupt?

Die Kirchen sagten jüngst im Zusammenhang mit der Gentechnik-Problematik: Heilung nicht um jeden Preis! Wer sagt uns denn, daß die Gentechnik überhaupt irgendein Heil bringt? Versprach die Atomtechnologie seinerzeit nicht auch, sämtliche Energieprobleme für alle Zukunft zu lösen?

 

Wir scheinen tatsächlich zurück in die Zeiten babylonischer Verwirrung zu sinken. Sind wir nun Menschen oder sind wir es (noch) nicht? Ethik oder Bioethik ist gleich die nächste Frage! Gerade so, als wenn es eine Ethik außerhalb des Lebens gäbe, also zwei Ethiken? So wie es neben den Kriegen der Schurkenstaaten auch gerechte und humanitäre Kriege geben soll? Hier die gesetzlosen Schurkenstaaten und dort die selbstgerechten Allianzen des Geldes!

Hier die Markthoheit und das Ablehnen sozial begründeter Subventionen und dort die Steuerfreiheit für alle Konzerne, die unsere Umwelt und Arbeitskraft plündern und gleichzeitig ihre Gewinne astronomisch steigern! Das ist die Ethik der Macht und des Geldes, unter deren Verantwortung derzeit der Erdball verwüstet wird.

Diese Ethik wird heute von der Nation (1), die im rücksichtslosen Verbrauch an Ressourcen einen Spitzenplatz einnimmt und unbelehrbar erscheint, sogar in den Status der Heiligkeit versetzt und unter Anwenden repressiver Maßnahmen weltweit exportiert! Nach dem Scheitern des Multilateralen Abkommens für Investitionen (MAI) werden dieselben Ansätze jetzt bilateral und über WTO-Regulierungen gegen den Widerstand der Bevölkerungen verbreitet! Ein neues Feindbild wird aufgebaut, indem diejenigen, die gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und sozialen Absicherungen demonstrieren, pauschal kriminalisiert werden. Ursache und Wirkung werden bewußt verwechselt: diejenigen, die die Bedrohungen thematisieren, werden zur Bedrohung erklärt. Die Aggressionsspirale wird durch systemhörige Medien dadurch begünstigt, daß über "Randale" mehr berichtet wird als über inhaltliche Gegenpositionen. Letztendlich wird die Lage dadurch unüberschaubar, daß versucht wird, staatlich inszenierten Vandalismus - wie zuletzt in Genua - bestimmten Gruppen von Demonstranten in die Schuhe zu schieben (2).

Die allgemeine Orientierungslosigkeit zeigt sich konsequenterweise auch dort, wo Mörder einerseits als Freiheitskämpfer unterstützt und gefeiert werden, andernorts aber als Rebellen verfolgt werden. Während Jugoslawien zur "Stabilisierung des Balkans" NATO-Truppen auf eigenem souveränem Territorium dulden sollte und wegen Ablehnung dieses Ansinnens mit einem "humanitären" Luftkrieg bedacht wurde, der die tatsächlichen Nöte der Menschen in der Region nur verschärfte und einen Frieden in weite Ferne rückte, terrorisiert der Krieg in Nahost seit Jahrzehnten weiterhin unbehelligt die dortige Bevölkerung. Hier stören sich die Moralapostel Washingtons nicht an der konsequenten Ablehnung Israels, ausländische Beobachter zu akzeptieren. Zweierlei Maß widerlegt allüberall auf dem Globus die vorgespielte Aufrichtigkeit der Weltmacht, die, den Namen Gottes im Munde führend, vorgibt, den Kampf gegen das Böse auszutragen!

Das rationale Argumentieren in all den problematischen Themenbereichen wie Atom, Gen, Lebensmittel, Luft, Wasser, Bundeswehreinsatz etc. führt auch innenpolitisch zu sprachlichen Verwirrspielen ohne Ende. Die Schlagzeile "Der deutschen Wirtschaft droht Stillstand" (Süddeutsche Zeitung v. 11.7. 2001) belegt exemplarisch die sprachliche Verwirrtaktik der Medien. Ein Sportjounalist dagegen käme nie auf die Idee, bei einem Läufer, der seine Geschwindigkeit nicht mehr zu steigern vermag und gleichbleibend schnell, vielleicht auch etwas langsamer liefe, vom Stehenbleiben und drohenden Zusammenbruch des Athleten zu sprechen. Der Satz liest sich, als drohe der Stillstand aller Räder, Schlote und Geldströme. Beabsichtigt oder nicht, wird der lesende Bürger verunsichert und verängstigt. Er verliert seine kritische „Aufmüpfigkeit", wird folgsam. Eine andere Schlagzeile vom gleichen Tag: "Deutsche sollen auf Lohn und Urlaub verzichten" (Die Welt) unterstreicht diese Zielrichtung.

Ein weiteres Instrument der Verwirrung ist das Interpretieren von Statistiken im Sinne derer, die am langen Hebel sitzen.

Kausale Zusammenhänge werden solange unter Hinweis auf fehlende wissenschaftliche Beweise bestritten, bis es ohnehin zu spät ist, und dann konnte dies angeblich "nach menschlichem Ermessen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nicht verhindert werden. Alles bleibt beim Alten.

 

Ein möglichst breites Thematisieren der verbrieften Grundrechte, z.B. des Rechts auf Unversehrtheit (Art. 2,2 GG), kann die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufzeigen. Das Trinkwasser z.B. ist ja nicht von sich aus allein mittlerweile vielfach ungenießbar, sondern deshalb, weil der politische Schutz desselben der Profitgier der Verschmutzer (hier speziell der Agro-Chemie) untergeordnet bleibt. Und so sieht es aus gleichem Grunde überall aus: industriell "verfeinerte" Lebensmittel werden potentiell giftig, die Luft wird "angereichert" mit unüberschaubaren Schadstoffen, alles durchdringende Strahlung aus radioaktiven und elektromagnetischen Quellen nimmt laufend zu, die Atmosphäre wird aus ihrer lebensnotwendigen Balance gebracht, multifaktoriell bedingte Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen werden unbeherrschbar.

Eine tiefgreifende Wertedebatte ist notwendig, um deutlich werden zu lassen, daß der Schutz des Lebens und der Natur Vorrang hat vor allen anderen Interessen. Es geht nicht an, daß unser Grundgesetz weiterhin durch Gesetze entstellt wird, die dem Geist des Grundgesetzes widersprechen. Dieser Tendenz muß sich das Bundesverfassungsgericht entgegenstellen. Andernfalls könnten wir das GG ehrlicherweise gleich aus dem Fenster schmeißen und uns der tagtäglichen Neubestimmung durch die überlassen, deren Eid "Nutzen zu mehren und Schaden abzuhalten" weder den Abbau der historisch gewachsenen sozialen Errungenschaften noch die Zerstörung der ökologischen Gleichgewichte verhindert hat: die Politiker und ihre hochpotenten Auftraggeber aus dem Bereich der Weltkonzerne. Die Weite der Sicherheitszonen zum "Schutze" von Politikern bei ihren Globalisierungstreffen spiegelt ihre inhaltliche Entfernung von den tatsächlichen politischen Notwendigkeiten und ihre Entfremdung von den Wählern wieder.

Denn daß der Bürger nicht mehr der Herr der Lage ist, bekommen wir ständig bewiesen. Nehmen wir z.B. die Problematik mit der PDS. Diese politische Partei wird von den anderen Parteien behandelt, als wenn sie Abschaum wäre. Dabei wird mitunter völlig übersehen, daß sie demokratisch gewählt, einen nicht unerheblichen Prozentsatz unserer Mitbürger vertritt. Sind diese Mitbürger denn auch der letzte Abschaum? Dann sollten die so denkenden Politiker der "etablierten Parteien" dies auch offen aussprechen, obwohl auf diese Weise keine Kultur der demokratischen Auseinandersetzung praktiziert wird.

Alternative Meinungen und Positionen dürfen nicht mit den Methoden des Kalten Kriegs durch Ausgrenzen, Denunzieren oder Kriminalisieren angegangen werden.

Parteien und Politiker, die auf dem Boden des GG wirken, sollten sich auch auf diesem Boden bewegen können und in ihrer politischen Auseinandersetzung durch Programme, die den Geist des GG hoch halten und zu verwirklichen suchen, hervortreten und Anhänger gewinnen. Der mündige Bürger, der lt. Art. 20 GG seine Souveränität durch Wahl und Abstimmung ausübt, könnte endlich, nach 52 Jahren Existenz des Grundgesetzes, Wirklichkeit werden!

Nur in der offenen, vorbehaltlosen Auseinandersetzung, orientiert am Allgemeinwohl in globaler Dimension können wir Lösungen zu all den Problemen finden, die uns derzeit bedrohen, ob wir sie nun sehen wollen oder nicht. Den Beweis für einen sich verbreitenden lebensgefährlichen Realitätsverlust liefern wir uns selbst, wenn z.B. in der gegenwärtigen Globalisierungspolitik der WTO die virtuelle Welt der Aktienkurse oder die künstlich geschaffenen Handels- und Marktgesetze den Naturgesetzen gleichgestellt werden oder gar höher eingeschätzt werden als die tatsächlichen Erfordernisse der Umwelt und die Notwendigkeiten unserer sozialen Wirklichkeiten. Will die Demokratie in Zukunft Bestand haben, so müssen ihre die Bürger vertretenden Organe sämtliche Weltbank-, WTO- und IWF- Zielsetzungen auf den Prüfstand setzen, da diesen bislang jegliche demokratische Legitimation fehlt. Werden die vom "Runden Tisch des Kapitals" diktierten Richtlinien erst einmal hinterfragt (3), dann zeigen sie sehr schnell ihre asozialen und die Natur zerstörenden Wirkungen.

Nur in der Orientierung unseres Handelns am Wohl aller Menschen und am Wohl der Natur mit ihren allseitig abhängigen Gleichgewichten verhindern wir sowohl den Unmenschen wie auch den weiteren Niedergang des Lebens. Eine Globalisierung, die des Menschen Errungenschaften, wie Gesellschaft, Markt und Wirtschaft, wieder dem globalen Leben unterwirft, und nicht umgekehrt (4), wird wie von selbst eine höhere Qualität des Menschlichen hervorbringen.

- - - - - - - - -
(1) Die USA stellen 5% der Weltbevölkerung und verbrauchen 25% der Weltenergie
(2) Die taktischen Gründe einer solchen in totalitären Staaten bewährten perfiden Strategie liegen zunächst darin, die Öffentlichkeit gegen die Demonstranten und deren Anliegen aufzubringen und dann, die Front der Demonstranten zu brechen (divide et impera!). Schließlich liefert die derart aufgeheizte Situation auch die Argumente für ein weiteres Militarisieren der Polizeikräfte und für Einschränkungen demokratischer Grundrechte usw. (
siehe auch hier)
(3) Das schottische Parlament wird eine weltweit erste Debatte über das Allgemeine Abkommen über Handel und Dienstleistungen (GATS) abhalten
(4) Die historische Entwicklung der wirtschaftswissenschaftlichen Theorien als bestimmende Faktoren der jeweiligen gesellschaftlichen Realität hat Bernd Senf in seinem Buch "Die blinden Flecken der Ökonomie, Wirtschaftstheorien in der Krise, dtv, 2001" leicht verständlich beschrieben. (
inhaltliche Zusammenschau hier )

Literaturvorschlag:
- Belen Balanya, Ann Doherty, Olivier Hoedeman, Adam Ma' anit & Erik Wesselius, EUROPE INC: Regional & Global Restructuring and the Rise of Corporate Power. London, Pluto Press, 2000
deutsch: "Konzern Europa - Die unkontrollierte Macht der Unternehmen", 392 Seiten, Broschur, sFr/DM 36.-; öS 263.- (ab 2002: 18 Euro), ISBN: 3-85869-216-6, Rotpunkt Verlag
- Veronika Bennholdt-Thomsen, Nick Faraclas und Claudia von Werlhof (Hg), There is an Alternative. Subsistence and worldwide Resistance to Corporate Globalization, London, zed press, 2001
- Luca Di Blasi, Bernd Goebel und Vittorio Hösle (Hg), Nachhaltigkit in der Ökologie, Wege in eine zukunftsfähige Welt, Verlag C.H.Beck, 2001
- Michel Chossudovsky, Global brutal, Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg, Zweitausendeins, 2002
- Michel Chossudovsky, Die Entwaffnung der Neuen Weltordnung, [
http://gib.squat.net/millenium/seattle-and-more.html]
- Maria Mies, Globalisierung von unten, Rotbuch Verlag Hamburg, 2001
- Saral Sarkar, Die nachhaltige Gesellschaft, Eine kritische Analyse der Systemalternativen, Rotpunkt Zürich, 2001
- Conrad Schuhler, Unter Brüdern, Die USA, Europa und die Neuordnung der Welt, PapyRossa, 2003


Übersicht eigener Beiträge (alle Beiträge als pdf.Dokument, 58 Seiten, 370 KB):


Am Freitag, den 20. Juli 2001 wurde der 23 jährige Antifaschist CARLO GUILANI in Genua auf offener Strasse von der Polizei ermordet. Er hatte, wie viele Tausende Menschen aus praktisch der ganzen Welt an den Demonstrationen gegen den G8-Regierungsgipfel in Genua teilgenommen. Im Laufe der Kundgebungen trafen Staatsgewalt und DemonstrantInnen immer wieder aufeinander. Carlo starb an zwei Kopfschüssen und wurde anschliessend noch von einem Polizeifahrzeug überrollt. Der Mörder von Carlo ist Mitglied einer faschistoiden paramilitärischen Polizeieinheit in Italien.

Die Kundgebungen gegen den G8-Gipfel wurden von fast allen bürgerlichen Medien als Anti-Globalisierungsdemos heruntergespielt und die TeilnehmerInnen als „gewaltbereite AnarchistInnen" diffamiert. Die Herrschenden und ihre Lakaien (also die bürgerlichen Medien) haben keinerlei Interesse daran den wahren Charakter dieser internationalen Protestbewegungen darzustellen. Nämlich, dass es beileibe nicht nur um Globalisierung geht (also die Schaffung internationaler Zusammenhänge, ohne jegliche staatliche Kontrolle), sondern dass es auch eine Protestbewegung gegen den Kapitalismus (Neoliberalismus), gegen Rassismus, Faschismus und Ausgrenzung und gegen staatliche Justizbarbarei ist. Es ist ziemlich deutlich, dass die Herrschenden mittlerweile ziemlich Schiss vor der breiten Protestbewegung haben, vor jenen Menschen, die auch ein wenig mitreden wollen, wenn es um ihre eigene Zukunft geht. Die Regierenden hingegen wollen alleine herrschen und über das Los von Millionen von Menschen entscheiden. Es geht ihnen nicht, wie sie es gerne darstellen, um das Wohlergehen aller Menschen auf dieser Erde, sondern einzig und alleine um die Profitmaximierung und die Durchsetzung ihrer Interessen. Auf dem Weg dorthin sind die zahlreichen sogenannten „GlobalisierungsgegnerInnen" ihnen selbstverständlich ein Dorn im Auge. Zumal sich hier seit langem einmal wieder Menschen trauen gegen die Regierungschef aufmüpfig zu werden. Dies können und dürfen die Herrschenden selbstverständlich nicht zulassen, weil immerhin besteht doch die Gefahr, dass auch allen anderen BürgerInnen die Augen geöffnet werden und diese merken wer die Hauptschuld an der wirkliche Misere trägt: die Reichen und Herrschenden.

Aus diese Grund setzen sie alles daran, dass die internationale Protestbewegung vom Rest der Bevölkerung isoliert bleibt. Die Mittel sind allseits bekannt: Diffamierung der Bewegung als terroristische Gefahr für Frieden und Ordnung, Versuche die Bewegung an sich in „gewaltbereite" und „gewaltfreie" zu spalten und zu entsolidarisieren, massive physische und psychische Repressionen (Festnahmen, Prügelorgien der Polizei usw.), bis hin zur Ermordung von RegierungsgegnerInnen.

Was sich in Göteborg bereits angekündigt hat (dort wurden 5 Menschen von der Polizei angeschossen), hat sich in Genua nun scheinbar gänzlich durchgesetzt: der brutale, gnadenlose Kampf gegen alle radikale RegierungskritikerInnen. Was auf dem Europol Treffen im Frühling in Madrid vereinbart wurde, wurde nun in Göteborg getestet und in Genua in die Tat umgesetzt. Die FeindInnen werden ausschliesslich im linken bis linksradikalen Lager ausgemacht.

Mittlerweile beschränken sich die Herrschenden mit ihrer Repression nicht mehr nur auf die radikale Linke (AnarchistInnen, Autonome usw.), sondern greifen auch etwas liberalere linke Gruppierungen und Einrichtungen an (Medienzentrum des Genoa Social und das Gebäude wo Indymedia einquartiert war). Diese Angriffe sind Taktik und verfolgen das Ziel, die Bewegung einzuschüchtern und zu spalten. Auch soll versucht werden Zusammenhänge zu der verpönten radikalen Linken herzustellen, in der Hoffnung die Glaubwürdigkeit dieser legal arbeitenden Gruppen so zu untermauern. Um ihr brutales, menschenverachtendes Vorgehen ein wenig zu legitimieren stellen Polizei, Justiz und bürgerliche Medien viele DemonstrantInnen als regelrechte TerroristInnen dar, sozusagen als Gefahr für die „demokratische" Gesellschaftsordnung, die es mit allen erdenklichen Mitteln zu schützen gilt. Dass Polizei und Geheimdienste aus aller Welt sich unter die DemonstrantInnen mischen und diese zu Gewalttaten provozieren und aufwiegeln, wird dabei bewusst verheimlicht. Polizei und Militär beschützen die Herrschenden und ihr Kapital, und nicht die Bevölkerung vor irgendwelchen „anarchistischen TerroristInnen", wie es gerne dargestellt wird. Es ist nicht unsere Absicht mit Carlo einen Märtyrer zu stilisieren, schon allein aus dem Grund weil Carlo sicherlich nicht der erste Tote dieses Systems ist. Tagtäglich sterben Menschen an den EU-Aussengrenzen, tagtäglich sterben Menschen an Hunger, tagtäglich werden Menschen auf der Welt von Regierungen verschleppt und ermordet. Und doch hat dieser Mord eine gänzlich neue Qualität (zumindest für Europa), weil er am hellen Tag, auf offener Strasse passiert ist (Anwesenheit der Presse) und Carlo sichtlich als Regierungsgegner erkennbar war.

Wir wehren uns gegen die Repressionen durch den Staat, und auch gegen die Versuche die internationale Protestbewegung zu spalten! Wir wehren uns gegen die Diffamierung der anarchistischen Bewegung! Organisiert Protestkundgebungen vor italienischen Botschaften, Konsulaten, Banken usw. Zeigt der Welt, dass wir uns diesen Mord nicht gefallen lassen!

Anarchist Black Cross Luxembourg

Brief einer Mutter - 12.01.2002

Die italienische Tageszeitung La Repubblica berichtete in der Ausgabe v. 01.01.2002 über den Tod des Jugendlichen Giacomo Reggiani aus Genua, der von einem 14jährigen Dealer mit einer zertrümmerten Flasche im Streit erstochen wurde. Die Mutter von Carlo schrieb einen Brief an die Mutter von Giacomo, die beide das gleiche Unglück zu tragen haben. Er wurde bei L' Unità von Adelaide Gaggio veröffentlicht. Wir geben ihn hier v.a. deshalb übersetzt wieder, weil er ein einzigartiges Dokument des solidarischen Umgangs der Menschen in Genua und eines hohen politischen und menschlichen Bewusstseins darstellt.

Liebe Alberta,

Wir kennen uns nicht, aber durch die Repubblica vom vergangenen Freitag wurden wir zusammengebracht. Das hätten wir nicht freiwillig getan, ich weiß. Wir wurden zusammengebracht, weil jemand unsere Söhne ermordete. Ich musste sofort denken: Der Schmerz ist derselbe, die Ursache nicht. Der Tod von Giacomo ist ein schreckliches Ereignis. Ich dachte: Er wurde von einem unglückseligen Jungen ermordet, einem Ausgegrenzten, von einem Jungen, dem die Wurzeln ausgerissen wurden. Bevor er zum Mörder wurde, wurde er zuerst Opfer.

Der Tod von Carlo war ein angekündigter Tod. Ich werde mir den Fehler nie verzeihen können, nicht rechtzeitig begriffen zu haben, dass in unserer Stadt lange schon vorbereitet wurde, was dann geschehen ist: von der Piazza Manin bis zur Via Tolemaide, von der Piazza Alimonda bis zur Scuola Diaz, von Foce bis zu Bolzaneto

.In der Nacht wissen wir beide jedoch was die Nacht bedeutet. Wenn die anderen schlafen und wir nicht gezwungen werden, eine Stärke zu zeigen, die wir nicht hätten, wenn sie nicht ausschließlich aus der Liebe für unsere Kinder käme, in der Nacht denke ich über meinen Fehler nach. Wer hat die Hand des Mannes bewaffnet, der meinen Carlo umbrachte. Wer erlaubte oder befahl direkt die Verwüstungen, die in unserer Stadt angerichtet wurden, um dann die Gewalt und den Mord in jenen Junitagen zu rechtfertigen. Es ist der gleiche, der im Namen von Profit und Macht, Menschen in Hunger und Elend stürzt, dass sie gezwungen sind zu emigrieren. Andere lässt er ungebildet und unkritisch, sodass sie unfähig sind, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen.

Ich kenne dich nicht persönlich Alberta, doch ich stehe dir nahe. Ich habe in diesen Monaten gelernt, dass die Nähe der Menschen gut tut. Ja, es gibt so viele brave Menschen, so viele wunderbare junge Menschen, für welche die Mühe wert ist, fest zu bleiben. Ich bin nicht gläubig, aber ich denke, dass wir für sie - wie Jesus Christus lehrte - beginnen sollten, die Händler aus dem Tempel zu treiben, will sagen aus unserem Leben, aus unserer Welt, und das, bevor es zu spät ist.

Ich umarme Dich

die Mamma von Carlo

(Übersetzung: Günter Melle)


 
Links
Literatur
Inhaltsübersicht
Kontakt
oben
home
deutsch
english
español
Gästebuch


Emanzipation Humanum, Version 2. 2002, Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt, Dialog sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht. Übersetzung in andere Sprachen erwünscht. Kürzungen und Änderungen nach Absprache möglich.

http://emanzipationhumanum.de/deutsch/politik8.html

GOWEBCounter by INLINE